Fremde Sprache – Kurzgeschichte

Dieses mal etwas ganz Anderes. Ich habe mich einfach mal an einer Kurzgeschichte versucht. Viel Spaß!

Deutschland, Bremen, sechs Uhr, der Wecker beginnt mit seiner Arbeit, währenddessen bin ich in der Welt der Träume. Die Erde beginnt zu beben, die Gebäude um mich herum stürzen zusammen und der Himmel scheint zu kollabieren. Der Boden unter mir öffnet sich und ich Falle, tief. Mit einem noch tieferen Atemzug öffnen sich meine Augen. Ich liege in unserem Bett und wie betäubt starre in das abgedunkelte Zimmer. Lichtstrahlen finden ihren Weg durch die Jalousien und werfen ein starres Muster an die Decke, geprägt vom kalten Licht des Innenhofes. Neben mir mein Ehemann und wie immer schläft er ruhig. Mit Mühen erkenne ich das Anheben und Absenken seines Brustkorbs und ich präge mir sein Bild ein, so wie jedem Morgen. Ich verlasse das Schlafzimmer, betrete die stille Küche und beginne mit dem Frühstück. Das Radio lasse ich lieber aus, so wie jeden Morgen. Mein Handy leuchtet auf und erinnert mich an die Arbeit, nun muss es schnell gehen. Hastig ins Bad, Duschen, Umziehen und ein letzter Blick im Spiegel. Ich greife nach meiner Tasche und breche auf. – Halt Zigaretten vergessen – Ich schleiche nochmal durch den Flur zurück in die Küche, greife nach der halb vollen Packung und eine weitere Minute verstreicht auf der Uhr. Jetzt heißt es Zigaretten einpacken, Tasche greifen, zügig die Türschwelle der Wohnung übertreten und die Tür zuziehen. Hoffentlich war das nicht zu laut.

Die Straßen noch leer, der Morgen noch früh und die Umgebung wie immer still. Ich erreiche die Arbeit und meine Kollegen empfangen mich herzlich, erstmal einen gemeinsamen Kaffee. Sie tauschen sich aus, wahrscheinlich darüber was sie am Wochenende erlebt haben und welche neuen Bekanntschaften geschlossen wurden. Verstehen tue ich leider nichts, ihre Lippen bewegen sich zwar ähnlich wie Meine, allerdings ist die Sprache eine andere. Der Kaffee ist ausgetrunken, freundlich sieht mich mein Gegenüber an und tippt deutlich auf seine Armbanduhr. Ich nicke und zeige mit meinem rechten Daumen nach oben, begleitet von dem leichten Nicken, ich habe ja alles verstanden. Auf der Arbeit habe ich meine Aufgaben, weiß was zu tun ist und zur Not reichen auch Hände und Füße zur Kommunikation. Pause, die Zigaretten werden aus der Tasche geholt und es geht raus zu den anderen Kollegen. Freundlich blicke ich in die Runde und diese Geste wird erwidert. Wieder tauschen sich alle aus, aber ich schweife mit den Gedanken ab, habe ich mein Handy auf lautlos gestellt? Nicht, dass es später stört und tatsächlich ich habe wieder nicht daran gedacht.
Die Pause ist vorbei und ich begebe mich erneut allein an die Arbeit. Die Handgriffe sind eingespielt, nachdenken muss ich dabei schon lange nicht mehr und meine Gedanken sind mal wieder woanders. Solange in dieser Stadt, noch länger in diesem Land aber noch immer ist mir diese Sprache fern und stellt mir Barrieren in den Weg. Sie kommt mir einfach nicht über meine Lippen oder zumindest in mein Ohr.
Mein Umfeld setzt sich in Bewegung, ein Blick auf die Uhr, Feierabend und ich gehe. Auf dem Rückweg, kurz nochmal Einkaufen. An der Kasse auf die Anzeige achten und bloß den richtigen Betrag übergeben, dabei stets freundlich lächeln und versuchen so gut wie möglich „Auf Wiedersehen“ zu sagen – obwohl nein – ein einfaches winken reicht. Ich komme Zuhause an, steige die Treppen hinauf und passiere die Wohnungstür meines Nachbars. Er scheint Musik zu hören, falls das überhaupt Musik ist. Die Musik ist wirklich sehr laut, aber trotzdem verstehe kein Wort. Zumindest den Bass spüre ich durch die Tür hindurch über den Boden in meinem Körper und kann ihn verstehen. Ich steige weiter die Treppen hinauf, erreiche unsere Wohnungstür, öffne sie und trete in die Wohnung ein. Mein Sohn empfängt mich, endlich jemand den ich verstehen kann. Ich koche etwas, wir essen zusammen und unterhalten uns so wie ich es schon den ganzen Tag über mit meinen Mitmenschen tun wollte. Beim Abwasch frage ich mich, bin ich das Problem? Warum kann ich nicht einfach die Sprache hier Sprechen und Verstehen? Wie kann es sein, dass ich noch immer ein Stück weit fremd im eigenen Land bin? All diese Fragen spüle ich weg und jetzt bin ich wirklich frei. Ich lasse mich in den Sessel fallen, lege die Beine hoch und schalte den Fernseher an. Schon wieder, selbst jetzt in meinem Zuhause werde ich erneut daran erinnert, das Fernsehprogramm natürlich nicht in meiner Sprache. Ich gehe hinüber zum Filmschrank krame eine DVD heraus und steck diese in den DVD-Spieler. Aber halt. Bevor der Film startet, wähle ich jetzt erstmal meine Sprache aus…

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